25.07.2024

concept m Studie:
Nachhaltigkeit 360° - Gemeinsam nachhaltiger!

Label_Bildvergroessern(Bonn, 25.07.2024) Wie blicken Verbraucher, Unternehmen und Politik aktuell auf das Thema Nachhaltigkeit? Im Auftrag von Kulinaria Deutschland führte das Marktforschungs-unternehmen concept m in den vergangenen Wochen eine Nachhaltigkeits-Studie durch. Ziel war es, nicht nur die Perspektive der Verbraucher, sondern auch den Blick von Politik und Unternehmen auf Nachhaltigkeit zu analysieren. Das eindeutige Ergebnis: Nur gemeinsam können Nachhaltigkeitsziele auch erreicht werden! Und: Auch die Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle.

Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahren zu einem zentralen Leitwert für einen bewussten Konsumstil geworden. Wie das Thema in den Vordergrund rückt, ist insbesondere aus der Perspektive der Verbraucher davon abhängig, wie die grundsätzliche Lage bewertet wird. In diesem Zusammenhang kann Nachhaltigkeit zum „Wohlstandsthema“ degradiert oder auch mit „existenzieller Bedeutung“ aufgeladen werden. Gemeinsam mit concept m führte Kulinaria die Studie mit einem qualitativen und einem quantitativen Teil durch. Zunächst wurden in 24 tiefenpsychologischen Interviews Verbraucher, Repräsentanten der teilnehmenden kulinarischen Unternehmen sowie VertreterInnen aus der Politik zu ihren Einstellungen und der aktuellen Nachhaltigkeitsentwicklung befragt. Zur Verifizierung der Verbraucherbefragung fand in einem zweiten quantitativen Teil eine Befragung von 1.000 Verbraucherinnen und Verbrauchern über ihr Nachhaltigkeitsverhalten und ihre Erwartungen an und Wahrnehmung der bestehende Nachhaltigkeitsbestrebungen aus Politik und Wirtschaft statt.

Die Sicht der Verbraucher
Konsumenten möchten zu einer besseren Welt beitragen und zugleich das Gefühl des unbeschwerten Konsums für sich erhalten wissen. Interessant dabei: In der persönlichen Einschätzung bewerten Konsumenten ihr eigenes Nachhaltigkeits-Verhalten deutlich besser als das der anderen Akteure.
Fragt man Verbraucher, wie sie Nachhaltigkeit in ihrem Alltag umsetzen, liegt der Fokus auf einfachen, schnell umsetzbaren Verhaltensweisen wie beispielsweise Mülltrennung und Abfallvermeidung. Einkaufsentscheidungen spielen auch eine Rolle, bewusster Konsum und Verkehrsverhalten ebenfalls. Zentrale Aspekte für die Verbraucher beim Lebensmittelkauf sind Regionalität, Haltungsform und Herkunft geworden; ökologischer Anbau spielt keine dominante Rolle mehr. Stärkster Treiber für einen nachhaltigen Konsum ist das Tierwohl. Siegel wirken beim Verbraucher nur in begrenztem Ausmaß; den etablierten Siegeln gelingt es immerhin, etwas Orientierung zu schaffen.

Weitgehend einig sind sich die befragten Personen darin, dass nachhaltige Produkte bezahlbarer werden sollen, als sie es heute sind (86 Prozent Zustimmung). Hingegen ist die Bereitschaft, einen Aufpreis zu zahlen, deutlich schwächer ausgeprägt (47 Prozent Zustimmung). „Ich bemühe mich, meinen ökologischen Fußabdruck zu minimieren, wo es nur geht“, so lautet das exemplarische Zitat einer der interviewten Personen. 43 Prozent der Befragten weisen dem Thema „eine große/wichtige Rolle“ zu. Konsumenten möchten zu einer besseren Welt beitragen und zugleich das Gefühl des unbeschwerten Konsums für sich erhalten wissen. Interessant dabei: In der persönlichen Einschätzung bewerten Konsumenten ihr eigenes Nachhaltigkeits-Verhalten deutlich besser als das der anderen Akteure. Am wenigsten wird „der Politik“ zugetraut.

Die Sicht der Unternehmen
Während die Verbraucher psychologisch vor allem damit beschäftigt sind, die Widersprüche einer konsumistischen Existenz abzufedern, stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, die hohen Ansprüche in Bezug auf Nachhaltigkeit Realität werden zu lassen und dafür wirtschaftlich tragbare Lösungen zu finden. Im Alltag zeigt sich oft eine Kluft zwischen Verbraucher-Wahrnehmung und Produzenten-Wirklichkeit: Nicht alles, was faktisch nachhaltiger ist, wird vom Verbraucher auch immer akzeptiert. Nachhaltigkeit ist zu einer Aufgabe geworden, die deutlich breiter als in früheren Zeiten alle Bereiche eines Unternehmens fordert und eine stärkere interne Vernetzung und Koordinierung verlangt. „Die Motivation zu nachhaltigem Handeln ist gerade in der Lebensmittelindustrie durch den Anspruch an die hohe Qualität der Produkte und einen sparsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen oft schon gegeben.“, so Dr. Markus Weck, Hauptgeschäftsführer von Kulinaria Deutschland. „Es kommt aber ein zusätzlicher und starker Druck durch neue Gesetze und Anforderungen des Handels hinzu.“

Für den „nachhaltigen“ Erfolg von Marken jenseits der rein funktionalen Faktoren lassen sich bei Konsumenten vier psychologische Benefits identifizieren, mit denen die Nachhaltigkeit aufgeladen werden kann: Marken müssen positive Erlebensqualitäten versprechen, sie sollten emotionale Aspekte wie Sicherheit, Geborgenheit und Innovation ansprechen, sie können auf soziale Distinktion setzen oder sie sind kongruent zum Ich-Bild des Käufers.

Die Sicht der Politik
Die Entscheidungsträger in der Politik nehmen Nachhaltigkeit als „gesellschaftliche Kampfzone“ wahr. „Sie haben zwar eine gewisse Gestaltungsmacht, aber sie erleben im Alltag vor allem Begrenzungen und Ohnmacht. Gestaltungswille und Gestaltungsfrust liegen eng beisammen“, so Thomas Ebenfeld, Managing Director von concept m und Leiter der Studie. Die Schuld dafür wird – auch – den Bürgern angelastet, die realen Konsequenzen von Nachhaltigkeit am Ende scheuen. Zugleich sind die Politiker durchaus auch selbstkritisch und wissen, dass gerade bei der konkreten Umsetzung von Nachhaltigkeit noch sehr viel getan werden muss. Die Bestimmung des politischen wie gesellschaftlichen Diskurses ist eine zentrale Aufgabe für die Entscheidungsträger. Deswegen ist die Gestaltung der Nachhaltigkeits-Narrative besonders relevant, in denen sich sowohl dringender Handlungsbedarf, aber auch ein gewisser Optimismus ergänzen sollten.

Wie konkret politisch handelnde Menschen bereit sind, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen, hängt entscheidend davon ab, welchem Narrativ sie anhängen: Ob sie glauben, dass es bereits zu spät ist, ob sie der Ansicht sind, dass die Folgen des Klimawandels wahrscheinlich noch beherrschbar sind oder ob sie in der ökologischen Transformation vor allem riesige Potenziale für die Wirtschaft sehen.

Nachhaltige Kommunikation

Die vielen Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit erfordern auch und gerade eine überzeugende Kommunikation. Die Studie kam zu dem Befund, dass die Verbraucher sehr kritisch gegenüber Greenwashing und wohlklingenden Phrasen geworden sind.

Sechs Fallen gilt es zu vermeiden:

1. Selbstidealisierung
Wer sich selbst in schillerndem Grün inszeniert, ruft alle auf den Plan, nach Fehlern zu suchen. Selbstidealisierung reizt zur Entlarvung. Stattdessen sollte die Devise lauten: „Let’s get real!“ Die Botschaften sollten selbstbewusst, konkret und realistisch sein. Es geht weniger darum, sich als Unternehmen unnötig klein zu machen, sondern die Realität der Nachhaltigkeit in den Unternehmen selbstbewusst und realistisch zu vermitteln. Das entspricht der positiven Grundhaltung der Unternehmen: Sie sind diejenigen die aus Verbraucher-Träumen harte und belastbare Realität machen.

2. Ewige Ankündigungen
„In fünf Jahren werden wir…“ – wer so anfängt, hat schon verloren. Die Verbraucher möchten vieles hören, aber keine ewigen Ankündigungen und Versprechungen für eine ferne Zukunft. Wer überzeugend nachhaltig sein möchte, muss damit schon heute anfangen. Alles andere wirkt unglaubwürdig. Es gilt schon im Hier und Jetzt wichtige ‚Milestones‘ zu kommunizieren: Was leisten wir schon jetzt, woran arbeiten wir jetzt, wohin soll das als nächster Schritt führen? „Der Verbraucher hat einen großen Hunger danach, den Fortschritt am gemeinsamen Werk Nachhaltigkeit schon jetzt spüren und verfolgen zu können.“, so Thomas Ebenfeld.

3. Schwache Prüfkriterien
„Schon fünf Prozent unserer Energie beziehen wir aus regenerativen Energien.“ – auch solche Sätze wirken wie eine Einladung zur Kritik. Wer sich nachhaltig aufstellen möchte, benötigt Proof Points, die überzeugen. Alles andere wirkt wie Greenwashing. Hilfreich zur Vermeidung dieser Falle sind die proaktive Selbstüberprüfung sowie die Kontrolle der Eigenmotivation. Diese stärken die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens. Verbraucher wollen Unternehmen, die eigene Ziele formulieren, eigenen Ehrgeiz entwickeln und die Nachhaltigkeit als potentielle Floskel mit Leben füllen.

4. Siegel, die nichts besiegeln
Einfach irgendein schönes Siegel auf die Packung zu platzieren, das kann mitunter auch mehr Schaden anrichten als Nutzen. Die überbordende „Siegeleritis“ verwirrt, weil viele Verbraucher die Kennzeichnungen überhaupt nicht einzuschätzen vermögen. Mitunter weckt sie auch noch Argwohn. Der Ausweg: Mehr Vergleichbarkeit und mehr Wettbewerb wagen!
Die Verbraucher wollen in der Überprüfung der Nachhaltigkeits-Leistungen eines Unternehmens bei allem Streben nach Transparenz nicht selber zum Wissenschaftler werden müssen. Ihnen schweben einfache Vergleichssysteme wie bei den Energie-Effizienzklassen. Ampel- und Stufensysteme wie beim NutriScore oder Haltungsformen sind noch nicht in allem optimal, aber erfüllen zumindest den Anspruch nach einer einfachen Orientierung.

5. Nachhaltigkeit als Ablenkung
Nachhaltigkeit sollte den praktischen Nutzen des Produkts nicht überdecken, sondern im Einklang mit ihm stehen. Im Vordergrund muss das Produkterleben stehen. Nachhaltigkeit darf gerne dazu beitragen, dieses Produkterleben zu verbessern. Der Gewinn an Qualität und Genuss-Qualitäten im Vergleich zur billigen Massenware ist bei Gemüse, Obst oder auch Fleisch häufig schon in den Köpfen der Verbraucher angekommen. Es geht um natürlichen oder authentischen Geschmack, um angenehme Texturen und um unverfälschte Produktkonsistenz.

6. Die Bullerbü-Falle
Das Gegenteil von gut gemacht ist bekanntlich gut gemeint. Eine idyllische Verklärung der Verhältnisse wie in den Kinderbuchgeschichten geht ebenso ins Leere wie eine bezugslose „gute Tat“. Stattdessen sollten einfache gute Lösungen gesucht und vermittelt werden – immer mit Bezug zur Marke. „Die Rolle der Wirtschaft bekommt hierdurch auch einen anderen Dreh: Vom gierigen Ausbeuter der Natur zu einem – im Ideal – kreativen Vorreiter mit einer ansteckenden Gier nach produktiven Lösungen.“, so Thomas Ebenfeld.

Grundsätzlich sind die Unternehmen in ihrer Nachhaltigkeitskommunikation gefordert, alltagsnäher für die Verbraucher zu werden und sich auf konkrete Lösungen und Schritte im Hier und Jetzt zu fokussieren. Kommunikativ sollte Nachhaltigkeit nicht nur über einen moralisierenden Druck vermittelt werden: Nachhaltigkeit kann und soll auch Spaß machen dürfen. Nachhaltigkeit kann zudem den Ehrgeiz wecken, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue, kreative, gute Lösungen zu finden. Wichtig ist dabei, glaubwürdig zu bleiben: Nicht jedes Nachhaltigkeits-Narrativ passt zu jeder Marke.
Am Ende geht es immer um Vertrauen. Das aufzubauen, ist eine langwierige Angelegenheit. Es zu zerstören, dafür reicht ein Fehler.

Key Facts zur Studie:

Qualitativer Teil

  • 24 tiefenpsychologische Interviews bundesweit
  • 12 VerbraucherInnen, 9 Vertreter aus Unternehmen, 5 Verantwortliche aus der Politik

Quantitativer Teil

  • Stichprobe von 1.000 VerbraucherInnen
  • 510 Frauen, 490 Männer
  • 18-69 Jahre

Weitere Presseinformationen zur Studie finden Sie in unserer Pressebroschüre.

Pressekontakt:

Kulinaria Deutschland
Maximiliane Overhage
Referentin Öffentlichkeitsarbeit
overhage@verbaendebuero.de

Yasmin Soldierer
Referentin Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 0228 21 20 17
E-Mail: soldierer@verbaendebuero.de

concept m
Thomas Ebenfeld
Studienleiter
Tel.: 0221 923 590 13
E-Mail: thomas.ebenfeld@conceptm.eu